Der letzte Monat des Jahres kommt noch einmal mit einem sehr schweren Thema daher, das nur durch Vergebung zu lösen ist. Püh, und das ist für mich gerade alles andere als leicht, weil die Verletzung mich mitten ins Herz getroffen hat. Weil es so doll weh tut, möchte ich am liebsten um mich schlagen, die Menschen, die so denken und mir so etwas antun anbrüllen und richtig zur Sau machen. Versteht ihr, was ich meine? Wenn man so verletzt wird, dann möchte man, um den Schmerz etwas zu lindern – mit voller Wucht „zurückschlagen“. Püh.

Natürlich weiß ich, dass das nichts bringt und letztendlich dadurch die unguten Gefühle nur verstärkt werden. Und natürlich weiß ich auch, dass ich bei mir schauen muss um zu klären, warum dieses schmerzhafte Gefühl überhaupt aufgekommen ist. Auch hier bin ich schon soweit vorgedrungen, dass ich haargenau weiß, dass dieses Gefühl der Verletztheit einmal mehr von dem Alleingelassen werden nach dem Trauma der Vergangenheit und die dadurch projizierten Scham- und Schuldgefühle hervorgerufen wurde.

Ich weiß auch sehr genau, dass die Personen, die den Konflikt hervorgerufen haben, bei sich schauen und sich ihren ureigenen Ängsten stellen müssten, statt sich selber irgendwelche Geschichten zu erzählen und die erzählte Geschichte als „Wahrheit“ zu interpretieren.

Für mich ist das gerade alles sehr schwer, da ich auf der einen Seite natürlich versuche, dem Schmerz nicht auszuweichen, mich ihm voll und ganz zu stellen und nebenbei versuche, Vergebung zu üben. Tatsächlich ist das Gefühl auch schon abgeflacht und ich bin auch wirklich nicht wütend – dennoch ist es so, dass ich ein solches Verhalten missbillige und (noch) nicht bereit bin, hier einen Kontakt aufrecht zu erhalten, nur weil es sich um die „Familie“ handelt.

 

Vergebung ist so unglaublich befreiend!

Ich habe gerade einen ähnlichen Prozess durchgemacht, bei der es mir gelungen ist, zu verzeihen. Auch mit dieser Person – die in ihrem Umfeld ganz schlimm um sich schlägt und Menschen wirklich in vielerlei Hinsicht stark verletzt – gehe ich weitestgehend aus dem Weg. Aber es gelingt mir mittlerweile, ihre negativen Energien nicht mehr aufzunehmen und ihre Art prallt an mir ab. Den Blick in den Spiegel meidet sie ganz konsequent – dafür braucht sie allerdings auch wirklich ganz viel Mut, denn das zu sehen, was wirklich ist, wird vermutlich erstmal ganz doll wehtun. Und es ist nicht meine Aufgabe. Bei dem Prozess hat mir das Buch „Ich vergebe“ von Colin Tipping wertvolle Dienste geleistet. Ich habe das Buch vollständig gelesen und das Arbeitsblatt zur radikalen Vergebung durchgearbeitet und mehrmals angeschaut. Und eines Tages bin ich aufgewacht und die negativen und unguten Gefühle waren weg. Einfach verschwunden.

Mit dieser Situation etwas relaxter umzugehen, fällt natürlich auch insofern leichter, da die Frau nicht zu meinen engeren Bekannten gehört und ich ihr weitestgehend aus dem Weg gehen kann. Und wenn sie doch mal wieder die eine oder andere Gehässigkeit für mich parat hat, dann nehme ich sie schlichtweg nicht an und gut ist.

Wenn etwas derartiges in der eigenen Familie passiert, bei Menschen, von denen man Rückhalt erwartet, dann ist die Sache mit der Vergebung nicht ganz so leicht. „Man vergibt seinen Freunden viel schwerer als seinen Feinden“, stellte schon Friedrich Nietzsche fest und liegt damit nicht ganz falsch.

Ich denke schon, dass ich morgen oder übermorgen dazu in der Lage wäre zu sagen, „da steh ich drüber“ – aber sich über irgendjemanden zu stellen, ist kein Verzeihen. Es ist arrogant und irgendwie auch selbstverherrlichend. Das liebe Ego … Naja, ich habe jetzt ein neues Arbeitsblatt zu radikalen Vergebung hervorgeholt und werde auch in der Meditation an diesem Thema dranbleiben. Ich bin sehr gespannt, ob und vor allem wie es sich auflöst.

Klar ist auch, dass ohne Vergebung in einem selber kein wirklicher Friede herrschen kann und ich letztlich nicht frei bin. Freiheit und jeder noch so kleine Schritt, der mich ihr näher bringt, ist mir sehr wichtig. Daher hoffe ich, dass mir das jetzt und auch in Zukunft immer besser gelingt, mir und anderen zu verzeihen.